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Erklärung der UrheberInnen und KünstlerInnen Gemeinsam für ein faires Urhebervertragsrecht!

Es wird höchste Zeit, dass im Urhebervertragsrecht endlich die Instrumente gestärkt werden, die zum fairen Ausgleich der Interessen aller Beteiligter und damit zur Stärkung der Position der Urhe­berInnen und KünstlerInnen führen. Der Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz zum Urhebervertragsrecht bildet hierfür eine sehr gute Grundlage.

Die Entwicklung der Medien und die wachsende Macht der Internetkonzerne verlangen ein gemeinsames Auftreten aller Protagonisten der Kultur- und Medienwirtschaft, also der UrheberInnen, ausübenden KünstlerInnen und ihrer Verwerter (wie Verleger, Produzenten, Sender), um die zukunftssichere Neuorganisation der Werkschöpfung und Werkvermittlung in der digitalen Welt gemeinsam zu schaffen.
Dies kann aber nur auf der Grundlage gegenseitigen Vertrauens und Respekts sowie einer gemeinsamen Strategie geschehen, die auf Augenhöhe ausgehandelt wurde.
Bis heute herrscht jedoch immer noch eine starke Asymmetrie der Verhandlungspositionen zugunsten der Verwerter:

– Die Zeitungsbranche verwendet häufig allgemeine Geschäftsbedingungen, die den Autoren alle Rechte gegen pauschale Niedrighonorare abfordern. Sie ignoriert zudem oft die für freie Journalisten (Text und Foto) abgeschlossenen Vergütungsregeln und unterläuft damit das Gesetz.

– Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels hat sich für die Buchverlage fairen Verhandlungen mit den Autoren und Illustratoren entzogen. Nur einzelne Verlage waren bereit, Vergütungsregeln für Autoren und Übersetzer aufzustellen. Nicht alle Autoren besitzen eine starke Verhandlungsposition, um eine befristete Übertragung ihrer Nutzungsrechte durchzusetzen. Häufig wird vor allem in Wissenschafts- und Sachbuchbereich immer noch eine Übertragung aller Rechte für die Dauer des gesetzlichen Urheberrechts verlangt.

– Im Bereich Film und Fernsehen sind nur wenige Vereinbarungen zustande gekommen. Filmproduzenten und nur sehr wenige Sender haben Vergütungsregeln oder Tarifverträge abge­schlossen, und das auch erst nach jahrelangem Druck oder nach Klagen. Insbesondere die Haupt­auftraggeber ARD und ZDF wehren oftmals Forderungen nach Verhandlungen über Vergütungsregeln ab. Bis heute sind wesentliche Verteilungsfragen offen, von Augenhöhe kann keine Rede sein.

– Auch die für viele Gewerke im Bereich Fernsehen und Hörfunk relevante Frage der Vergütung der längeren Nutzung von Werken in Mediatheken ist ungeklärt.

– Insbesondere im Medienmusikbereich verhindern intransparente Abrechnungssysteme oder verweigerte Abrechnungen der Werknutzungen wie z.B. in Streamingdiensten eine angemessene Vergütung. Auch sind aufgrund niedriger Buyouts und sinkender Tantiemen-Einnahmen über die Wahrnehmungsgesellschaften die Vergütungen von Komponisten und Musikern häufig unangemessen.

Das reformierte Urhebervertragsrecht muss abschließende und befriedigende Lösungen bieten, um das Verhältnis von UrheberInnen, ausübenden KünstlerInnen und Verwertern in eine faire Balance zu bringen.
Dazu müssen folgende Grundsätze durchgesetzt werden:

– Die angemessene Vergütung ist die entscheidende Voraussetzung. Sie ist nicht nur Absicherung der Existenz der UrheberInnen und ausübenden KünstlerInnen, sondern versetzt sie erst in die Lage, neue Projekte zu planen und damit Risiken einzugehen und Innovationskräfte freizusetzen, die für die Kultur- und Medienwirtschaft essentiell sind.

– Jede Nutzung eines Werkes führt zu Wertschöpfung. UrheberInnen und ausübende KünstlerInnen müssen einen fairen Anteil daran erhalten, auch für Nutzungen im Internet. Pauschale Zahlungen können, bei angemessener Vergütung, weiterhin möglich sein.

– UrheberInnen und KünstlerInnen dürfen nicht gezwungen werden, Rechtepakete abzutreten, deren Umfang den konkreten Bedarf der Verwerter übersteigt und es wahrscheinlich macht, dass einzelne Rechte ungenutzt bleiben.

– Rechtsübertragungen müssen zeitlich befristet und rückrufbar sein. Branchenspezifische Lösungen sind sinnvoll und im Gesetzesentwurf bereits vorgesehen.

– Transparente Abrechnungen müssen jede Nutzung nachvollziehbar machen.

– Vergütungsvereinbarungen zwischen Verwertern und Urheberorganisationen bilden die Grundlage für Individualvereinbarungen zwischen UrheberInnen und KünstlerInnen und Verwertern, d.h. die Vergütungsregeln legen die Mindestbedingungen fest. Dies macht die Produktion von Werken kalkulierbar, insbesondere auch von Werken mit vielen Beteiligten (Film-, Fernseh- und Gamesproduktionen).

– Dies kann nur gelingen, wenn klare Regeln für die Aufnahme und den Abschluss von Verhandlungen bzw. für die verbindliche Schlichtung aufgestellt werden.

– Organisationen der UrheberInnen und ausübenden KünstlerInnen müssen das Recht erhalten, für ihre Mitglieder einzutreten und Verbandsklagen durchzuführen, um die faire Vertragsabwicklung im Konfliktfall durchzusetzen.

Die Initiative Urheberrecht unterstützt den Referentenentwurf im Prinzip und hat einige essentielle Änderungsvorschläge dazu erarbeitet. Sie fordert Bundestag und Bundesregierung auf, diesen Referentenentwurf schnell und im Dialog mit den Betroffenen umzusetzen.

Die Initiative ist jederzeit bereit, mit dem Parlament, der Regierung und den Verwertern offene Fragen zu erörtern. Sie setzt dabei auf die Vernunft und den Willen aller Beteiligten zum Konsens.

Februar 2016

In der Initiative Urheberrecht arbeiten über 35 Verbände und Gewerkschaften zusammen, die die Interessen von insgesamt rund 140.000 UrheberInnen und ausübenden KünstlerInnen vertreten.
www.urheber.info

Wenn Sie UrheberIn oder KünstlerIn sind (oder diese unterstützen wollen) und mitunterzeichnen möchten, unterzeichnen Sie hier:
http://urheber.info/erklaerung            http://urheber.info/erklaerung/unterzeichnen

Bericht von der Konferenz „ Die Zukunft des Urheberrechts“ am 01./02.12.2015 in Berlin

 

Vorab sei die Hinterfragung des Themas erlaubt : Die Zukunft des Urheberrechts – wo liegt da das Problem bitte schön ?

Die Verabschiedung und die nationale Umsetzung aktueller Richtlinien des Europäischen Parlaments zu einem neuen Urheberwahrnehmungsrecht werfen viele Fragen auf. Es gibt Veränderungen und einen entsprechenden Regelbedarf durch technische Innovation, neue Formen der Zweit- und Drittverwertung, neue Gesetzgebungsvorhaben des Justiz- ministeriums und nicht zuletzt ein gesellschaftlich verändertes Rechtsbewusstsein zur Nutzung von Urheberrechten.
Das veranlasste die Initiative Urheberrecht (140.000 Mitglieder – vertreten durch die Berufsverbände), in der der Composers Club seit Gründung mitarbeitet, diese Konferenz am Brandenburger Tor in der Akademie der Künste zu veranstalten.

„Die Initiative Urheberrecht sucht Wege für die Entwicklung des Urheberrechts in der digitalen Informationsgesellschaft. Es geht darum, die Interessen der Nutzer von Dienstleistungen und die Ansprüche der Urheber und ausübenden Künstler auf angemessene Vergütung ihrer Werke in Einklang zu bringen. Es kann nicht sein, dass die Kreativen die Verlierer bei der Einführung neuer Nutzungstechniken und Dienstleistungen sind.” Prof. Dr. Pfennig, Sprecher der Initiative

Heiko Maas (Minister Justiz/Verbraucherschutz) zu aktuellen Veränderungen in dieser Legislaturperiode:
„Es geht im Wesentlichen um vier Projekte, die wir in dieser Legislaturperiode nicht nur vorlegen, sondern auch abschließen werden:
•    Das ist das Urhebervertragsrecht.
•    Das ist die Reform des Rechts der Verwertungsgesellschaften.
•    Das ist die Bildungs- und Wissenschaftsschranke.
•    Und das ist ein wissenschaftlicher Auftrag, das Urheberrecht an die Erfordernisse des digitalen Zeitalters anzupassen.“
Zitat aus der Rede.
Hier die Rede im Wortlaut:

http://www.bmjv.de/SharedDocs/Reden/DE/2015/12012015_Urheberrechtskongress.html

Günther Oettinger (deutscher EU-Kommissar ): „Die digitale Revolution hält an, wir brauchen ein europäisches digitales Recht im europäischen digitalen Binnenmarkt“ (Zitat). Ein europäischer Mitgliedsstaat allein besitzt nicht die Macht, seine kulturellen Maßstäbe in der digitalen Welt durchzusetzen.
Monika Grütters (Kulturstaatsministerin): „Nicht verhandelbar ist aus naheliegenden Gründen die Freiheit, die geistige und künstlerische Spitzenleistungen überhaupt erst möglich macht. Brotlose Kunst ist existentiell bedrohte Kunst. Wer keinerlei Aussicht hat, von seinen Ideen zu leben, weil diese in der Kopier- und Vervielfältigungsmaschine Internet zum kostenfrei verfügbaren Allgemeingut werden, der wird seine geistigen Ressourcen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zum Schreiben von Drehbüchern oder zur Entwicklung zukunftsweisender Innovationen nutzen.“
Rede im Wortlaut

http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Pressemitteilungen/BPA/2015/12/2015-12-02-bkm- kuenstler-und-kreative.html?nn=402600

Dass der aktuelle digitale Markt nicht für UrheberInnen funktioniert, bestätigte auch Dieter Gorny, Bundesverband Musikindustrie: „Er halte die zunehmende Fokussierung auf die möglichst rein kollektivrechtliche Bereitstellung kreativer Inhalte für realitätsfern und ökonomisch falsch. Vielmehr seien Exklusivrechte ein wichtiger Bestandteil der gesamten digitalen Ökonomie, nicht nur der Kultur- und Kreativwirtschaft“ ( Zitat aus dem Bericht der BVMI über die Konferenz ) http://www.musikindustrie.de/aktuell_einzel/news/dieter-gorny-bei-der-urheberrechtskonferenz-2015-exklusivrechte- sind-ein-wichtiger-schluessel-der-digitalen-oekonomie/
Ein emotionales und hervorragendes Statement lieferte Matthias Hornschuh zu dem Thema: Gedanken zum materiellen Urheberrecht aus der Perspektive musikalischer Erwerbsurheber

http://zukunftskonferenz-urheberrecht.de/sites/default/files/pdfs/mhornschuh_zukunftskonfurheberrecht2015.pdf

Es folgten zahlreiche Keynotes, Referate, Gespräche (unter Einbeziehung des Publikums) und interessante Gespräche unter den Beteiligten. Am zweiten Tag wurden die Kernpunkte der französischen und englischen Urheberrechtsdebatte durch Vertreter aus diesen Ländern vorgestellt. Man war sich einig über die Bedeutung einer gemeinsamen Urheberinitiative aller europäischen Staaten.
Eine etwas befremdliche Randepisode, die uns (Composers Club/GEMA) irritierte: Im Zusammenhang mit dem EU-Thema „unfair contracts“ angesprochen von Herrn Prof. Dr. Riesenhuber, ob er wisse, dass sein Sender (ZDF) Druck auf Komponisten ausübe, ihre Musikwerke in sendernahen Verlagen verlegen zu lassen, antwortete der Justiziar des ZDF, Peter Weber, er habe davon noch nie gehört. Als John Groves an ihn herantrat, in Anwesenheit von Prof. Dr. Enjott Schneider, und ihm sagte, er könne ihm gerne die Umfrageergebnisse und Beweise zu diesem Thema präsentieren, meinte er nur lächelnd, das interessiere ihn nicht, er ginge lieber einen Kaffee trinken…
Die Konferenz war ein großer Erfolg. Die Urheber werden als Wirtschaftskraft wahrgenommen, die Talsohle der Umsonst-Mentalität scheint durchschritten. Dennoch:
„In der Abschlussdiskussion, eingeleitet durch eine Keynote von Prof. Dr. Dietmar Köster, der noch einmal die Bedeutung der UrheberInnen als Quelle unserer kulturellen Vielfalt heraushob, betonten die teilnehmenden AutorInnen und VerwertungsspezialistInnen, dass immer noch viel Aufklärung, nicht nur auf Seiten von UrheberInnen und VerwerterInnen, sondern vor allem auf Seiten der NutzerInnen notwendig ist, um eine nachhaltige, einvernehmliche, europäische Lösung zu finden.“
Zitat Initiative Urheberrecht
Alle Politiker forderten uns auf, durch professionellen Lobbyismus auf die Entscheidung ihrer Ministerien Einfluss zu nehmen. Die Gegenseite sei hervorragend aufgestellt.
Hier der ausführliche Bericht der Initiative:
http://www.urheber.info/aktuelles/2015-12-02_zukunftskonferenz-mehr-fairness-fuer-urheberinnen
An der Veranstaltung nahmen für den Composers Club Präsident John Groves und Vorstandskollege Christoph Rinnert teil, der sehr eng mit der Initiative Urheberrecht zusammen arbeitet und am Zustandekommen der Konferenz beteiligt war.
Mit freundlichen Grüßen

Euer Vorstand

Newsletter: Reda verbot… – Zensur durch EU-Piratin?

Liebe Mitglieder,

MdEP Julia Reda (Piraten Partei) forderte Urheber und Künstler auf, ihre Gedanken  zu ihrem Bericht, dem Entwurf zur Neugestaltung des Urheberrechts, in ihrem Blog zu kommentieren. Auch Komponist John Groves, Präsident des CC Composers Club e.V., postete seine Gedanken. Allerdings verschwand sein Text auch bei mehrfachen Versuchen sofort von Frau Redas Seite… Hier Johns Kommentar zum Nachlesen:
MEPJulia Reda (Pirate Party) asked creators and artists for comments in her blog regarding her report, the draft concerning reshaping creator’s rights. Composers John Groves, president of CC Composers Club e.V, posted his thoughts – strangely enough his comment disappeared right away from that website even at several attempts…. Read John’s thoughts here:

Dear Julia,

Free speech? Believing that dialogue was being sought, I spent my valuable free time to formulate an opinion, only to have my post [number 61] disappear from your website. Very disappointing! Nevertheless, I will still try one last time.

My creator colleagues have already touched on the most salient points, namely: Creators’ rights and copyrights | Creators and artists | Employed scientists and freelance composers.You have coupled each of these together into one basket and tend to use these terms interchangeably – albeit wrongly.

One thing that is very important, is the distinction between artist and creator – in my case, composer. It is en vogue for politicians to continually reiterate that “live” is the new income potential for artists; “playing live and selling merchandise – that’s where the money is today!” Well I am a composer; I don’t play live. I spend my days writing music for advertising. I suppose I could try and drag my piano out into the street, but quite honestly – who would want to buy a T-shirt from me? So you see, creators aren’t automatically artists. But compared to the magnitude of the problem, this is just nit picking. You have asked for our viewpoints, but seeing as you have come so far without it it, it seems highly unlikely that our words are going to change your opinion. We can correct your terminology, but I doubt if we can correct your view.

Nevertheless, I would like to try. „wink“-Emoticon You are obviously a highly intelligent and talented person or you wouldn’t be in the position that you are in, but your view appears to be from a totally different perspective to mine. I see it from the angle as a professional composer – one who has been fortunate to have made a good living in the past. One who is watching empires being built on the backs of the work of my colleagues, while most politicians are just standing by, watching. If we were trees, they would probably see it differently! But I suppose it’s all a matter of perspective: You see it’s from a pirate’s perspective – one that has misinterpreted the concept of a free Internet by translating the word “free” to mean “gratis”, when in fact it was meant as “liberty”. The laws that guarantee us a fair remuneration are in place, but they are not been implemented. Creators are forced to be suppliers of “content” for an all-you-can-eat culture – and not even participate in the revenues! For us, our work is not just “content”; each individual work is a pearl. And we are forced to standby and watch while these works are being sped up, edited and mashed-up together with the works of someone else, without being asked – and without having a say in the matter. We don’t get any money, we don’t get any praise or even a mention. The person who takes our songs and mashes them up sometimes even claims it is a transformative work under the “fair use” provision! (How sick is that?) and, to add insult to injury, the delicate love songs that were so painstakingly crafted in the treasured memory of past relationships are speeded up, mixed with a dance beat and yodelling, and used as a backing track to tap-dancing cat videos to sell advertising space on YouTube!!

The Pirate agenda and their attitudes towards creators’ rights is widely known, so the fault lies with those who gave you this assignment. It’s a bit like asking a vegan to report on steak restaurants. Nevertheless, no matter what your motives are – and assuming that you have good intentions – I urge you to digest these words and those of my colleagues. Should further clarification be necessary, we are prepared to meet you personally – anywhere you choose. Thank you for this opportunity of letting our voice be heard.

John Groves

Mit freundlichen Grüßen

Euer Vorstand

Piraten-Europaabgeordnete Reda bezeichnet Composers Club als „Industrievertreter“ und versucht vom tatsächlichen Interesse der Industrie-Lobby an ihrem eigenen Berichtsentwurf abzulenken

Die Piraten-Europaabgeordnete Julia Reda ist Berichterstatterin für die Evaluation der EU-Urheberrechts-Richtlinie und hat mittlerweile einen Berichtsentwurf vorgestellt. Dieser wird nun heftig diskutiert. Insbesondere gibt es mehr als 550 (!)  Änderungsanträge zu Redas Reformvorschlägen von den Vertretern anderer Parteien im Europaparlament, erscheinen doch viele von Redas Vorschlägen als kulturell wenig wünschenswert, vielfach sehr praxisfern und auch als folgenschwere Beschneidung der Rechte professioneller Urheber.
 
Julia Reda führt nun in einem Interview auf WIRED  (https://www.wired.de/collection/latest/julia-reda-uber-urheberrecht-und-lobbyismus-europa) den für sie unangenehmen Gegenwind ganz simpel auf den Einfluss von „Lobbyisten“ und „Industrievertretern“ zurück. Auf die Idee, dass es kulturelle und menschenrechtliche Gründe für Kritik an ihren Positionen geben kann, kommt sie nicht. Auch die Tatsache, dass es massives Lobbying für ihre Sicht der Dinge gibt, erwähnt sie nicht.
 
Wie wenig differenziert und angemessen Redas Einschätzung urheberrechtlicher Belange ist, zeigt sich auch darin, dass sie den Composers Club e. V. als „Industrievertreter“ bezeichnet. Tatsächlich jedoch sind im Composers Club ca. 300 freiberuflich tätige Komponisten organisiert. Durch ihren Zusammenschluss versuchen hier künstlerisch tätige Individuen, ihre Interessen gerade gegen große Organisationen und „Industrien“ zu stärken und durch einen ehrenamtlich arbeitenden Vorstand nach außen darzustellen. In diesem Sinne hatte der Composers Club in einem kurzen Schreiben (http://www.composers-club.de/betr-stellungnahme-zur-berichterstatter-ernennung-des-juri-ausschusses/) an u. a. verschiedene MdEPs einem kritischen Brief des Komponisten Matthias Hornschuh (der nicht einmal Mitglied des Composers Club, sondern Vorsitzender des Berufsverbandes mediamusic e. V. ist), unterstreichend Gewicht verliehen und ebenfalls Kritik an der Ernennung Julia Redas als Berichterstatterin geäußert. Julia Reda nimmt solche Stellungnahmen, die demokratisch legitim sind und zum politischen Tagesgeschäft gehören, nun offenbar zum Anlass, Personen und Berufsverbände zu diskreditieren, die nicht ihrer Meinung sind. Besonders unschön fällt dabei ins Auge, dass Reda industrieunabhängige Urheber (für die sie das Urheberrecht zu optimieren vorgibt) oder ihre Berufsverbände unlauter als Industrievertreter einordnet, um sich mit ihren Positionen sachlich nicht auseinandersetzen zu müssen.

Wenn Julia Reda die bloße Tatsache, dass an ihrem Berichtsentwurf von vielen Seiten Kritik geübt wird, auf den Einfluss einer (uns betreffend vermeintlichen) Industrie sowie ihrer Lobbyisten zurückführt, sollte sie sich unserer Meinung nach die Frage stellen, inwieweit nicht vielmehr ihr eigener Berichtsentwurf durch den Einfluss von Großunternehmen und ihren Lobbyisten geleitet wurde. Es gibt nämlich ein massives Interesse von Internet-Monopolisten wie Google, die Vorschläge von Julia Reda zu unterstützen. Sie sind es, die von einer Schwächung des Urheberrechts massiv wirtschaftlich profitieren, weil die freiere Verbreitung von digitalen Inhalten über ihre Infrastrukturen IHNEN Geld in die Kassen spült. Es sind Suchmaschinen, Aggregatoren und milliardenschwere Internetportale, die im Gegensatz zu einem lediglich aus Mitgliedsbeiträgen finanzierten Composers Club teilweise über jährliche Millionensummen für professionelle Einflussnahme durch die Arbeit bezahlter Lobbyisten verfügen.
 
Mit dem leichtfertigen und unschönen Vorwurf an ihre Politiker-Kollegen, von Lobbyismus geleitet zu sein, versucht Julia Reda von solchen Hintergründen abzulenken. Dabei lenkt sie aber letztlich durch die schiere Unvergleichbarkeit der Umstände die Aufmerksamkeit auf sich selbst und erscheint dabei in zweifelhaftem Licht.
 
Dass Politiker aller Parteien Änderungsanträge zum Entwurf einreichen, ist unserer Auffassung nach ein Zeichen, dass die Politik nicht vollends käuflich ist und sich die Digital-Politik nicht von milliardenschweren internationalen Konzernen, ihren Lobbyisten und den ihnen zugewandten Branchenverbänden vorschreiben lässt, obwohl diese massiv auf die EU-Politik Einfluss zu nehmen versuchen, wie etwa dieser offene Lobby-Brief zeigt (https://netzpolitik.org/wp-upload/OpenLetter-EnsuringBalance.pdf), der auch von Mathias Schindler (Julia Redas Mitarbeiter) über Twitter verbreitet wurde.
 
Wir begrüßen dies sehr und danken all jenen Politikern, die sich ideell und konstruktiv in das komplexe, jedoch kulturell und gesamtgesellschaftlich hoch brisante Thema eingebracht haben.
 
Mit freundlichen Grüßen
Der Vorstand

Matthias Hornschuh antwortet Julia Reda

Liebe Mitglieder,

nachfolgend findet Ihr einen Text von Matthias Hornschuh, der der Aufforderung der Piraten-Politikerin in der EU Julia Reda, Meinungen zu äußern, folgt.
Wir halten Matthias‘ Stellungnahme für sehr „auf den Punkt“ und sehr wichtig. Danke Matthias!
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Sehr geehrte Frau Reda,Sie haben um unsere Meinungen gebeten. Viele Kollegen haben sich zu äußern versucht; wir fragen uns, was mit den Stellungnahmen nun geschieht. Zu finden sind sie jedenfalls nirgends. Das wäre aber wünschenswert, und es wäre sinnvoll, nicht zuletzt, damit Sie später belegen können, auf welche Äußerungen Sie sich beziehen. Wir fordern von Ihnen Transparenz.

Ich bin Komponist und Publizist, Programmleiter eines Film&Musikfestivals und als Vorsitzender des Berufsverbandes mediamusic e.V. in Fragen der Kultur- und Medienpolitik und des Urheberrechts engagiert. Als ich mich entschloss, Ihnen zu antworten, habe ich mir zunächst einmal die Formulierung Ihres Aufrufs zur Beteiligung noch einmal genauer angesehen; sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch. Und hier ist es bereits an der Zeit für eine Bitte um Nachsicht: Das wird ein längerer Text. Notwendigerweise.

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Zu Ihrem Text; auf Deutsch heißt es da:
„Am Lautesten ist in der Debatte die Verwertungsindustrie zu hören, Kunstschaffende selbst kommen zu selten zu Wort.
Spiegeln die Pläne der Verwerter wirklich die Interessen aller Kunstschaffenden wider?“

Dieselben (?) beiden Sätze auf Englisch:
„The stakeholders whose voices are loudest in the debate are the collecting societies – the voices of creators themselves are heard much less.
Do the plans of the collecting societies really reflect the interests of all artists?“

Sehr interessant. Dass es sich bei diesen Sprachfassungen um zwei gänzlich unterschiedliche Texte handelt, muss jedem leidlich im Thema Bewanderten ins Auge springen.

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[1] Copyright ist nicht gleich Urheberrecht. Sie verwenden aber beide Begriffe de facto synonym.
Das kontinentaleuropäische URHEBERRECHT ist das Recht der Urheber. Ein Droit d’Auteur oder Authors’ Right. Es ist unübertragbar und gibt dem originären Rechteinhaber ein absolutes Entscheidungsrecht über sein Werk an die Hand: Ein „Moral Right“.
Das angloamerikanische „Copyright“ hingegen ist das Recht aufs Kopieren: Ein „Vervielfältigungs-“ und damit ein „Verwerterrecht“ – ohne Moral Right. Es ist übertragbar, daher gibt es in den USA das künstlerfeindlichste Rechtsprinzip, welches man sich überhaupt vorstellen kann: Es heißt „Total Buy Out“ und ist bei uns rechtskonform nicht möglich.

Die fehlende Sensibilität für diese Fundamentalunterscheidung macht mir Sorgen: Ich kann keine Hinweise darauf erkennen, dass Sie nicht bereit (oder sogar längst im Begriff) sind, mein Recht auf Selbstbestimmung und mein Recht auf angemessene Vergütung zugunsten eines angloamerikanischen Industrierechts aufzugeben.

Wo dabei im Übrigen auch nur der geringste Vorteil für die Allgemeinheit und die Verbraucher liegen soll, das müssten Sie uns erst einmal schlüssig erklären. Abzusehen ist, dass neben der materiellen Übermacht zukünftig auch die Verfügungsgewalt über kulturelle Güter in die Hände multinationaler börsennotierter Unternehmen gelangen könnte. Balance geht anders.

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[2] Den beiden Textfassungen zufolge betrachten Sie Verwertungsgesellschaften (wie in meinem Bereich die GEMA und die GVL) als „die Verwertungsindustrie“ bzw. als „Verwerter“? Sie vertun sich.
Ein „Verwerter“ ist jemand, der eine Nutzungslizenz (für ein Werk, eine Aufnahme oder eine urheberrechtlich geschützte Leistung wie eine musikalische Interpretation oder die Darbietung eines Schauspielers) erwirbt und an den Markt bringt, um dort damit einen Gewinn zu erzielen oder auch ein neues, „gekoppeltes“  Werk zu schaffen – wie einen Film oder ein Hörspiel. Verwertung ist eine im Kern kaufmännische Tätigkeit, die die vom Lizenzgeber erbrachte künstlerische oder publizistische Tätigkeit im kaufmännisch-administrativen Bereich komplementär ergänzt. In mittlerweile nicht mehr so seltenen Fällen kann es auch eine Personalunion von Lizenzgeber und Verwerter geben; wenn ich mein eigenes Label gründe, meinen eigenen Musikverlag, oder wenn ich einen Film mache, in dem ich meine eigene Musik (in Lizenz!) verwende. Verwertung ist nichts Illegitimes, sondern eine Notwendigkeit, so lange urheberrechtlich geschütztes Geistiges Eigentum an einen Markt für kulturelle Güter gebracht werden soll. Überhaupt ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass Urheber und Verwerter einander brauchen und in Symbiose existieren; wer Anderes behauptet, weiß wenig von den Realitäten in der Branche.

Verwertungsgesellschaften jedenfalls sind _keine_ Verwerter. Sie agieren nicht am Markt. Sie dürfen aufgrund des so genannten „Kontrahierungszwangs“ niemandem eine Lizenz verweigern. Sie versuchen nicht, Werke, Lizenzen, Auftritte, T-Shirts zu verkaufen. Sie dürfen keinen Gewinn machen. Sie sind auch nicht im oben skizzierten Sinne Lizenznehmer (obwohl sie für ihre Arbeit selbstverständlich über Lizenzen verfügen müssen), sondern sie sind Treuhänder: unsere Treuhänder.
Was sie auch nicht sind: Teil der Musikindustrie. Ganz im Gegenteil: Die GEMA beispielsweise ist Tarifpartner der Musikindustrie und insofern regelmäßig damit befasst, der Industrie höhere Lizenzabgaben abzutrotzen.
Die GEMA ist ein Verein; sie _gehört_ den originären Rechteinhabern, nämlich den Komponisten und Textdichtern und ihren oft engsten administrativen Partnern, den Musikverlegern. In diesem Sinne ist die GEMA unsere Genossenschaft und Gewerkschaft zugleich. Sie ist vom Gesetzgeber damit beauftragt, für uns „Wahrnehmungsberechtigte“ Vergütungstarife zu vereinbaren und das inkassierte Geld an uns zu verteilen.
VGs gewährleisten und vereinfachen den Zugang zu den Werken (GEMA, VG Wort) oder deren Interpretationen und Aufnahmen (GVL), sie bieten kurze Wege, Kalkulations- und nicht zuletzt Rechtssicherheit, und damit eines der höchsten Güter in einem reinen Lizenzmarkt wie der Kulturwirtschaft. Speziell in der Musik sind die Verwertungsgesellschaften die Lebensader jeder Wertschöpfung.

Sie sollten und Ihre Mitarbeiter müssen das wissen. Insofern stellt sich die Frage, welche Absicht mit einer solchen offenkundigen Falschübersetzung verbunden ist.
An anderer Stelle ist „Verwertungsindustrie“ dann übrigens mit „Distributors“ übersetzt. Vertrieb allerdings leisten die VGs ganz sicher nicht. Lassen diese sprachlichen Entgleisungen auf ein möglicherweise recht pauschales Feindbild schließen? Sind Sie als Berichterstatterin des EU-JURI-Ausschusses nicht dazu verpflichtet, eine neutrale Position einzunehmen?!

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[3] Die „Creators“, also im rechtlich-definitorischen Sinne die Werkschöpfer, bezeichnen Sie in der dt. Übersetzung als „Kunstschaffende“.
Leider verhält es bei dem Begriff „Kunst“ immer so, dass, sobald man hin verwendet, irgendjemand auftaucht, der für sich die Entscheidungshoheit darüber reklamiert, ob denn etwas überhaupt Kunst sei. Oder eben nicht. Womit in aller Regel eine Minderwertigkeit, entweder des Gegenstandes oder aber seines Schöpfers, behauptet wird – eine Minderwertigkeit, aus deren Behauptung man sehr schnell Verschiedenstes ableiten kann, etwa: dass der Gegenstand oder sein Schöpfer nicht schutzwürdig seien; dass die Gesellschaft daran kein Interesse haben könne (gleichwohl aber schnellen und günstigen Zugang haben müsse …), dass ohnehin das Konzept des Werkschöpfers in einer Zeit der transformativen Werknutzung … Ach, lassen wir das. Jedenfalls ist es nicht sinnvoll, hier mit dem Begriff Kunst zu agieren, denn er tut überhaupt nichts zur Sache, und offenbar ist er im englischsprachigen Text auch nicht nötig. Dort heißt der Werkschöpfer schlicht „Creator“, und genau der (bzw. die) ist es ja auch, um den (/ die) es geht.

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[4] „Sind sie mit dem Status Quo zufrieden?“
Nein, keineswegs. Meine Kollegen und mich treiben Zukunftssorgen um, die nichts mit Besitzstandswahrung zu tun haben, denn als Kulturschaffende sind wir vertraut mit Kulturwandel, der oft einhergeht mit technologischem und wirtschaftlichem Wandel.
Die heutige Situation ist jedoch neu und anders. Als vor 90 Jahren der Tonfilm die Musiker der Kinoorchester in existenzielle Not stürzte, war es schlicht vorbei mit der Nachfrage nach deren Leistung: Die Musiker wurden nicht mehr gebraucht. Unsere Leistung als Werkschöpfer, Interpreten, Aufnahmehersteller, Verwerter hingegen _wird_ gebraucht bzw. in rechtlicher Hinsicht genutzt: Es gibt heute eine belegbare Nutzungsintensität in historischem Umfang. Doch die Erlöse der Rechteinhaber, und zumal die der Autoren, stehen in keinem vernünftigen Verhältnis zu diesem Umfang der Nutzung. Ganz offensichtlich haben wir es daher mit strukturellen Problemen zu tun. Diesen wird man allerdings allein mit einer Reform des Urheberrechts nicht wirkungsvoll begegnen können.

Lösungsansätze für die derzeitige Ausblutung so gut wie aller Anbieter digitalisierbarer Inhalte („Transfer of Value“) liegen vielmehr da, wo Haftung zugewiesen wird durch die Errichtung klarer Haftungsregimes, wo Recht durchgesetzt wird, kurz: da, wo eine Klarheit von Regeln und Konsequenzen für den Fall der Zuwiderhandlung geschaffen wird. Besonders im Bereich der Provider- und Störerhaftung, der Inhaftungnahme digitaler Intermediäre und auch in kartellrechtlichem Durchgreifen gegen unverkennbare Monopolstrukturen (am Horizont: YouTube MusicKey?!) hat sich die Politik längst zum willigen Erfüllungsgehilfen marktradikaler Kräfte gemacht, die unter Labels wie „free“ und „open“ systematisch Rechtsbrüche begehen und in Europa Parallelmärkte nach Copyright-Prinzip etablieren. Und auch die unregulierte Distribution immaterieller Güter ist ein Problem, dem man sich dringend widmen müsste. Es gibt mittlerweile hinlängliche Evidenz dafür, dass wir es hier explizit mit Problemen zu tun haben, die technisch in Europa und Nordamerika verortet sind; also müssen wir uns auch innerhalb dieser Rechtsräume um Lösungen bemühen. Plausible Lösungsansätze für unsere drängenden, weil existenziellen Nöte liegt jedenfalls nicht in der Regulierung des Urheberrechts allein, und überhaupt sind die wesentlichen Probleme im Urheberrechtsbereich strukturell sehr ähnlich zu denen im Bereich Daten- und Verbraucherschutz.

Die Hinwendung zu den von Ihnen „Nutzer“ genannten Konsumenten rechtfertigt die Verwandlung des Urheber- in ein Verbraucherrecht nicht: Die wesentliche Maßgabe für eine verantwortungsvolle, für eine nachhaltige Regulierung muss sein, den Markt für kulturelle Güter wieder zu einem funktionierenden Markt zu machen, in dem sich _alle_ Player an die national geltenden Regeln halten. Nur so kann das Überleben der lokalen, regionalen und nationalen Akteure gewährleistet werden – und nur so kann der nötige Nachschub professionell erstellter Inhalte ermöglicht werden. Das ist übrigens keine schöngeistige und auch keine rein idealistische Betrachtung: Nachdem Deutschland so wie alle europäischen Staaten die UNESCO Konvention zur Kulturellen Vielfalt gezeichnet hat, haben wir rechtlich bindend anerkannt, dass Kultur einen „Doppelcharakter“ aufweist. Kulturelle Güter sind immer zugleich auch wirtschaftliche Güter. Wird die Funktionsfähigkeit in einem der beiden Bereiche beschädigt, wirkt sich das unmittelbar auf den anderen aus. D.h. ein Entzug materieller Ressourcen für die Kultur gefährdet den Fortbestand und die Funktion des kulturellen Systems an sich. Und damit die für die Gesellschaft unverzichtbaren identitätsstiftenden Prozesse kulturellen Schaffens.

Eines sollte klar sein: „Alles für lau“ ist eine Forderung von gestern.
Zeitgemäß und nachhaltig wäre: „Zugang zur Kultur gegen angemessene Vergütung“. Wobei die „Angemessenheit“ (§32 UrhG) nicht von Laien mit den Füßen ermittelt werden kann, sondern am Markt und auf Basis geltenden (auch tariflichen) Rechts rechtssicher festgestellt werden muss.

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[5] „Wollen sie wirklich Land für Land die Rechte für ihre Werke verhandeln, oder hätten sie lieber einen einzigen europäischen Markt?“
Eindeutige Antwort: Wir wollen die territoriale Trennung beibehalten.

Es gibt doch längst einen europäischen Markt; das gewährleisten nicht zuletzt die enorm effizienten europäischen Verwertungsgesellschaften mit ihrem dicht geknüpften Netz von Gegenseitigkeitsverträgen. Wir haben Freizügigkeit, so ist es uns freigestellt, genau die VG zu wählen, die uns passt. Warum sollte es also in unserem Interesse als Urheber sein, in einem ausschließlich nach den merkantilen Bedürfnissen von US-amerikanischen Großverwerten gestalteten System zu arbeiten – zudem diese in viel zu vielen Fällen nicht ordnungsgemäß lizenzieren und noch nicht einmal Steuern abführen?

Den Doppelcharakter kultureller Güter laut Unesco Konvention habe ich bereits angesprochen. Ebenso die absehbar fatalen Folgen für Inhalte und deren Produzenten, wenn die stattfindende Wertschöpfung weiter an den Werkschöpfern vorbeigeht und so Geld aus der Kulturwirtschaft herauszieht („Transfer of Value“). Kulturelle Güter sind nicht nur Gegenstand nationaler Identität, sie sind deren Ausdruck und ein wesentliches Instrument der Selbsterneuerung und Selbstvergewisserung. Reflexion, Innovation, Verhandlung von Werten – all das basiert auf einer funktionierenden Kultur und ihren Protagonisten.
Die national geltenden Rechte fassen nun die jeweils unterschiedlichen Werte, Haltungen, Praktiken in Regelwerke, die sich wiederum auch unterscheiden – so wie sich die Kulturen unterscheiden. Wer diese Unterschiede nivelliert und Kultur behandelt wie den Handel mit Schrauben oder KFZ-Scheinwerfern, der riskiert irreversible Schäden für die europäische Kultur.

Kurz: Es gibt aus inhaltlicher und damit kultureller Sicht nur Nachteile durch eine strikte Vereinheitlichung europäischer Standards. Im Übrigen ergibt sich in einem reinen Lizenzmarkt wie meinem – Musik & Medien – ein ganz wesentlicher Teil der Wertschöpfung daraus, Nutzungslizenzen territorial und zeitlich beschränkt verhandeln und vergeben zu können. Auch Schriftsteller, deren Romane für jedes Land hinsichtlich Übersetzung und Veröffentlichung sowie nicht zuletzt auch Verfilmungsrechten einzeln lizenziert werden, werden Ihren Vorstellungen kaum mit Begeisterung begegnen.

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[6] Sind sie wirklich gegen Remixes?
Ist das wirklich eine ernstgemeinte Frage? Wieso sollte ich, wieso sollten meine Kollegen „gegen Remixe“ sein? Wenn die Leute sowas machen wollen, dann soll sie es doch machen. Sie dürfen das ja auch, und zwar auf Basis des geltenden Rechts. Was sie nicht dürfen: Das Ergebnis veröffentlichen, ohne mich gefragt zu haben. Es verwerten ohne mich zu beteiligen. Was soll daran falsch sein? Das ist nicht nur eine Frage finanzieller Erträge, sondern zunächst mal eine des Respekts mir und meiner Arbeit gegenüber.

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[7] „Wo würden ihre Prioritäten bei einem Update des Urheberrechts liegen?“
Vor allem anderen: Unser Urheberrecht muss als Recht der Urheber fortgeschrieben werden. Es ist der Transmissionsriemen für Kultur, Kulturwirtschaft und Medien. Es ist kein Verbraucherrecht und kann auch dem Sinn nach keines sein.

Im Wesentlichen sind die Urheber und Rechteinhaber in Deutschland zufrieden mit dem Urheberrecht. Natürlich gibt es Konflikte im Binnenverhältnis der Branche, doch die gibt es überall, wo etwas zu verteilen ist, und die großen Bedrohungen liegen in den Eingriffen von außen (s.o.).

Konkret drückt es gelegentlich da, wo in der teils erheblichen Asymmetrie des Marktes bei den jeweils kleineren wirtschaftlichen Einheiten – und das sind Urheber und Interpreten per se – die Verhandlungsbasis nicht gegeben ist, die es ihnen ermöglichen würde, sich gegen die Übermacht ihrer Auftraggeber bzw. Lizenznehmer zu wehren, ohne damit den nächsten Job oder die ganze Karriere zu riskieren. Hier wäre es dringend angezeigt, ein Verbandsklagerecht einzuführen, das eine große Hilfe bei der Adressierung struktureller Schieflagen böte.

Absolut bizarr waren die Entscheidungen der Politik in der jüngeren Vergangenheit, gesetzlich verbriefte Ansprüche ohne adäquate Durchsetzungsmittel zu verankern. Das begann bereits mit der Implementierung von Privatkopieabgaben und von Beteiligungsansprüchen an Verwertungserlösen, deren Aushandlung man jedoch, anstatt den Staat damit zu betrauen, in die Asymmetrie der Branche verlagerte. Vergütungsansprüche in Gesetze zu schreiben ohne sie durchsetzbar zu machen, ist Scharlatanerie.

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[8] „Nutzer*innen wollen Zugang zu Informationen und nicht im Alltag kriminalisiert werden.“
MUSIK und andere KULTURELLE INHALTE sind keine INFORMATIONEN!
Was für ein ungeheuerlicher Blödsinn. Wenn überhaupt, dann ist Musik mit „Wissen“ zu vergleichen, also mit der Kontextualisierung von Informationen.
Das in Deutschland geltende Urheberrecht reguliert nicht zuletzt den Zugang zu und die Teilhabe an kulturellen Gütern, indem es Rechteinhaber unter sehr vielen Bedingungen _zwingt_ ihre Rechte zur Verfügung zu stellen. Es gibt Schranken, es gibt multiple Kontrahierungszwänge und es gibt, völlig jenseits jeder rechtlichen Bestimmung, eine ungeheuer weit reichende Bereitwilligkeit der Kulturschaffenden, Menschen teilhaben zu lassen. Diese Bereitschaft und der ihr unterliegende Idealismus dürfen jedoch nicht dazu führen, dass Kulturschaffende sich selbst und ihre wirtschaftliche Überlebensfähigkeit aufgeben. Daher ist es zwingend notwendig, dass das Recht die Bedingungen der Werknutzung definiert: für die Verbraucher, für die Nutzer im terminologischen Sinne und auch für die Rechteinhaber.

Eine, mit Verlaub, ausgelutschte Phrase wie „Kriminalisierung“ in einem Aufruf zur Beteiligung an (professionelle?) Urheber und Rechteinhaber zu verwenden, lässt nicht auf sonderlich viel Sensibilität für die Situation der Angesprochenen schließen. Wenn es zudem offenbar zum „Alltag“ der angeblich „Kriminalisierten“ gehört, Anlässe für ebendiese Kriminalisierung zu schaffen, dann sagt diese Einschätzung aus dem Mund einer Parlamentarierin einiges aus.

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Abschließend möchte ich Sie ernsthaft darum bitten, offenzulegen, welche Experten und Gewährsleute Sie für Ihre Sicht auf die Situation der Urheber heranziehen.
Es wäre interessant zu wissen, inwieweit Sie bereit sind, die für uns existenzielle Unterscheidung zwischen Profi (beruflich / erwerbsmäßig tätig) und Laie (möglicherweise begabt, aber nicht auf Erlöse aus der Verwertung seiner Werke angewiesen) anzuerkennen und zu berücksichtigen. Die Annahme, heute sei ja jeder irgendwie ein Urheber, ist für die Urheberrechtsdebatte nicht zielführend.
Dass Sie Vorbehalte gegen Verwertungsgesellschaften haben, ist Ihr gutes Recht als Privatperson. In Ihrer parlamentarischen Funktion jedoch müssen Sie vom Gesetzgeber gewollte, mit der Wahrnehmung gesetzlicher Aufgaben betraute Institutionen zunächst einmal anerkennen. Niemand verlangt, dass Sie unkritisch sind; das sind wir als Wahrnehmungsberechtigte auch nicht.
Wir müssen uns darauf verlassen können, dass Sie Ihr Amt als Mandatsträgerin nicht missbrauchen. Als Berichterstatterin sind Sie dem Parlament – und damit mittelbar uns als dem Souverän – gegenüber verantwortlich, nicht Ihrer Partei.

Sollten Sie uns vermitteln, dass wir uns darauf verlassen können, dann werden Sie in uns Urhebern und Interpreten, in unseren Verlagen, Labels und Verwertungsgesellschaften und in den Berufs- und Branchenverbänden bestens informierte und konstruktive Ansprechpartner finden. Sie werden eine Stimmen- und Meinungsvielfalt vorfinden, wie Sie Ihnen aus dem Parlament und aus Ihrer Partei vertraut ist. Und Sie werden feststellen, dass „zwischen den Stühlen sitzen“ (so beschreiben Sie es im dt. Aufruf) Teil unseres Jobprofils ist, weshalb wir tatsächlich froh sind über jeden, der uns helfen will. Ob und inwieweit Sie das wollen, das wäre nach aktuellem Stand noch zu beweisen.

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QUELLEN:
Deutsch: https://juliareda.eu/2015/02/kunst-und-kreativschaffende-sagt-mir-eure-meinung/
Englisch: https://juliareda.eu/2015/02/copyright-update-creators-what-is-your-opinion/

Mit den besten Grüßen
Matthias Hornschuh
Komponist
Vorsitzender mediamusic e.V. | berufsverband medienmusik, KölnPS:
Diesen Text werde ich auf Ihrer FB-Seite und auf der von mediamusic e.V. veröffentlichen. Bei Bedarf auch an anderer Stelle.