Liebe Mitglieder,
nachfolgend findet Ihr einen Text von Matthias Hornschuh, der der Aufforderung der Piraten-Politikerin in der EU Julia Reda, Meinungen zu äußern, folgt.
Wir halten Matthias‘ Stellungnahme für sehr „auf den Punkt“ und sehr wichtig. Danke Matthias!
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Ich bin Komponist und Publizist, Programmleiter eines Film&Musikfestivals und als Vorsitzender des Berufsverbandes mediamusic e.V. in Fragen der Kultur- und Medienpolitik und des Urheberrechts engagiert. Als ich mich entschloss, Ihnen zu antworten, habe ich mir zunächst einmal die Formulierung Ihres Aufrufs zur Beteiligung noch einmal genauer angesehen; sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch. Und hier ist es bereits an der Zeit für eine Bitte um Nachsicht: Das wird ein längerer Text. Notwendigerweise.
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Zu Ihrem Text; auf Deutsch heißt es da:
„Am Lautesten ist in der Debatte die Verwertungsindustrie zu hören, Kunstschaffende selbst kommen zu selten zu Wort.
Spiegeln die Pläne der Verwerter wirklich die Interessen aller Kunstschaffenden wider?“
Dieselben (?) beiden Sätze auf Englisch:
„The stakeholders whose voices are loudest in the debate are the collecting societies – the voices of creators themselves are heard much less.
Do the plans of the collecting societies really reflect the interests of all artists?“
Sehr interessant. Dass es sich bei diesen Sprachfassungen um zwei gänzlich unterschiedliche Texte handelt, muss jedem leidlich im Thema Bewanderten ins Auge springen.
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[1] Copyright ist nicht gleich Urheberrecht. Sie verwenden aber beide Begriffe de facto synonym.
Das kontinentaleuropäische URHEBERRECHT ist das Recht der Urheber. Ein Droit d’Auteur oder Authors’ Right. Es ist unübertragbar und gibt dem originären Rechteinhaber ein absolutes Entscheidungsrecht über sein Werk an die Hand: Ein „Moral Right“.
Das angloamerikanische „Copyright“ hingegen ist das Recht aufs Kopieren: Ein „Vervielfältigungs-“ und damit ein „Verwerterrecht“ – ohne Moral Right. Es ist übertragbar, daher gibt es in den USA das künstlerfeindlichste Rechtsprinzip, welches man sich überhaupt vorstellen kann: Es heißt „Total Buy Out“ und ist bei uns rechtskonform nicht möglich.
Die fehlende Sensibilität für diese Fundamentalunterscheidung macht mir Sorgen: Ich kann keine Hinweise darauf erkennen, dass Sie nicht bereit (oder sogar längst im Begriff) sind, mein Recht auf Selbstbestimmung und mein Recht auf angemessene Vergütung zugunsten eines angloamerikanischen Industrierechts aufzugeben.
Wo dabei im Übrigen auch nur der geringste Vorteil für die Allgemeinheit und die Verbraucher liegen soll, das müssten Sie uns erst einmal schlüssig erklären. Abzusehen ist, dass neben der materiellen Übermacht zukünftig auch die Verfügungsgewalt über kulturelle Güter in die Hände multinationaler börsennotierter Unternehmen gelangen könnte. Balance geht anders.
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[2] Den beiden Textfassungen zufolge betrachten Sie Verwertungsgesellschaften (wie in meinem Bereich die GEMA und die GVL) als „die Verwertungsindustrie“ bzw. als „Verwerter“? Sie vertun sich.
Ein „Verwerter“ ist jemand, der eine Nutzungslizenz (für ein Werk, eine Aufnahme oder eine urheberrechtlich geschützte Leistung wie eine musikalische Interpretation oder die Darbietung eines Schauspielers) erwirbt und an den Markt bringt, um dort damit einen Gewinn zu erzielen oder auch ein neues, „gekoppeltes“ Werk zu schaffen – wie einen Film oder ein Hörspiel. Verwertung ist eine im Kern kaufmännische Tätigkeit, die die vom Lizenzgeber erbrachte künstlerische oder publizistische Tätigkeit im kaufmännisch-administrativen Bereich komplementär ergänzt. In mittlerweile nicht mehr so seltenen Fällen kann es auch eine Personalunion von Lizenzgeber und Verwerter geben; wenn ich mein eigenes Label gründe, meinen eigenen Musikverlag, oder wenn ich einen Film mache, in dem ich meine eigene Musik (in Lizenz!) verwende. Verwertung ist nichts Illegitimes, sondern eine Notwendigkeit, so lange urheberrechtlich geschütztes Geistiges Eigentum an einen Markt für kulturelle Güter gebracht werden soll. Überhaupt ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass Urheber und Verwerter einander brauchen und in Symbiose existieren; wer Anderes behauptet, weiß wenig von den Realitäten in der Branche.
Verwertungsgesellschaften jedenfalls sind _keine_ Verwerter. Sie agieren nicht am Markt. Sie dürfen aufgrund des so genannten „Kontrahierungszwangs“ niemandem eine Lizenz verweigern. Sie versuchen nicht, Werke, Lizenzen, Auftritte, T-Shirts zu verkaufen. Sie dürfen keinen Gewinn machen. Sie sind auch nicht im oben skizzierten Sinne Lizenznehmer (obwohl sie für ihre Arbeit selbstverständlich über Lizenzen verfügen müssen), sondern sie sind Treuhänder: unsere Treuhänder.
Was sie auch nicht sind: Teil der Musikindustrie. Ganz im Gegenteil: Die GEMA beispielsweise ist Tarifpartner der Musikindustrie und insofern regelmäßig damit befasst, der Industrie höhere Lizenzabgaben abzutrotzen.
Die GEMA ist ein Verein; sie _gehört_ den originären Rechteinhabern, nämlich den Komponisten und Textdichtern und ihren oft engsten administrativen Partnern, den Musikverlegern. In diesem Sinne ist die GEMA unsere Genossenschaft und Gewerkschaft zugleich. Sie ist vom Gesetzgeber damit beauftragt, für uns „Wahrnehmungsberechtigte“ Vergütungstarife zu vereinbaren und das inkassierte Geld an uns zu verteilen.
VGs gewährleisten und vereinfachen den Zugang zu den Werken (GEMA, VG Wort) oder deren Interpretationen und Aufnahmen (GVL), sie bieten kurze Wege, Kalkulations- und nicht zuletzt Rechtssicherheit, und damit eines der höchsten Güter in einem reinen Lizenzmarkt wie der Kulturwirtschaft. Speziell in der Musik sind die Verwertungsgesellschaften die Lebensader jeder Wertschöpfung.
Sie sollten und Ihre Mitarbeiter müssen das wissen. Insofern stellt sich die Frage, welche Absicht mit einer solchen offenkundigen Falschübersetzung verbunden ist.
An anderer Stelle ist „Verwertungsindustrie“ dann übrigens mit „Distributors“ übersetzt. Vertrieb allerdings leisten die VGs ganz sicher nicht. Lassen diese sprachlichen Entgleisungen auf ein möglicherweise recht pauschales Feindbild schließen? Sind Sie als Berichterstatterin des EU-JURI-Ausschusses nicht dazu verpflichtet, eine neutrale Position einzunehmen?!
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[3] Die „Creators“, also im rechtlich-definitorischen Sinne die Werkschöpfer, bezeichnen Sie in der dt. Übersetzung als „Kunstschaffende“.
Leider verhält es bei dem Begriff „Kunst“ immer so, dass, sobald man hin verwendet, irgendjemand auftaucht, der für sich die Entscheidungshoheit darüber reklamiert, ob denn etwas überhaupt Kunst sei. Oder eben nicht. Womit in aller Regel eine Minderwertigkeit, entweder des Gegenstandes oder aber seines Schöpfers, behauptet wird – eine Minderwertigkeit, aus deren Behauptung man sehr schnell Verschiedenstes ableiten kann, etwa: dass der Gegenstand oder sein Schöpfer nicht schutzwürdig seien; dass die Gesellschaft daran kein Interesse haben könne (gleichwohl aber schnellen und günstigen Zugang haben müsse …), dass ohnehin das Konzept des Werkschöpfers in einer Zeit der transformativen Werknutzung … Ach, lassen wir das. Jedenfalls ist es nicht sinnvoll, hier mit dem Begriff Kunst zu agieren, denn er tut überhaupt nichts zur Sache, und offenbar ist er im englischsprachigen Text auch nicht nötig. Dort heißt der Werkschöpfer schlicht „Creator“, und genau der (bzw. die) ist es ja auch, um den (/ die) es geht.
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[4] „Sind sie mit dem Status Quo zufrieden?“
Nein, keineswegs. Meine Kollegen und mich treiben Zukunftssorgen um, die nichts mit Besitzstandswahrung zu tun haben, denn als Kulturschaffende sind wir vertraut mit Kulturwandel, der oft einhergeht mit technologischem und wirtschaftlichem Wandel.
Die heutige Situation ist jedoch neu und anders. Als vor 90 Jahren der Tonfilm die Musiker der Kinoorchester in existenzielle Not stürzte, war es schlicht vorbei mit der Nachfrage nach deren Leistung: Die Musiker wurden nicht mehr gebraucht. Unsere Leistung als Werkschöpfer, Interpreten, Aufnahmehersteller, Verwerter hingegen _wird_ gebraucht bzw. in rechtlicher Hinsicht genutzt: Es gibt heute eine belegbare Nutzungsintensität in historischem Umfang. Doch die Erlöse der Rechteinhaber, und zumal die der Autoren, stehen in keinem vernünftigen Verhältnis zu diesem Umfang der Nutzung. Ganz offensichtlich haben wir es daher mit strukturellen Problemen zu tun. Diesen wird man allerdings allein mit einer Reform des Urheberrechts nicht wirkungsvoll begegnen können.
Lösungsansätze für die derzeitige Ausblutung so gut wie aller Anbieter digitalisierbarer Inhalte („Transfer of Value“) liegen vielmehr da, wo Haftung zugewiesen wird durch die Errichtung klarer Haftungsregimes, wo Recht durchgesetzt wird, kurz: da, wo eine Klarheit von Regeln und Konsequenzen für den Fall der Zuwiderhandlung geschaffen wird. Besonders im Bereich der Provider- und Störerhaftung, der Inhaftungnahme digitaler Intermediäre und auch in kartellrechtlichem Durchgreifen gegen unverkennbare Monopolstrukturen (am Horizont: YouTube MusicKey?!) hat sich die Politik längst zum willigen Erfüllungsgehilfen marktradikaler Kräfte gemacht, die unter Labels wie „free“ und „open“ systematisch Rechtsbrüche begehen und in Europa Parallelmärkte nach Copyright-Prinzip etablieren. Und auch die unregulierte Distribution immaterieller Güter ist ein Problem, dem man sich dringend widmen müsste. Es gibt mittlerweile hinlängliche Evidenz dafür, dass wir es hier explizit mit Problemen zu tun haben, die technisch in Europa und Nordamerika verortet sind; also müssen wir uns auch innerhalb dieser Rechtsräume um Lösungen bemühen. Plausible Lösungsansätze für unsere drängenden, weil existenziellen Nöte liegt jedenfalls nicht in der Regulierung des Urheberrechts allein, und überhaupt sind die wesentlichen Probleme im Urheberrechtsbereich strukturell sehr ähnlich zu denen im Bereich Daten- und Verbraucherschutz.
Die Hinwendung zu den von Ihnen „Nutzer“ genannten Konsumenten rechtfertigt die Verwandlung des Urheber- in ein Verbraucherrecht nicht: Die wesentliche Maßgabe für eine verantwortungsvolle, für eine nachhaltige Regulierung muss sein, den Markt für kulturelle Güter wieder zu einem funktionierenden Markt zu machen, in dem sich _alle_ Player an die national geltenden Regeln halten. Nur so kann das Überleben der lokalen, regionalen und nationalen Akteure gewährleistet werden – und nur so kann der nötige Nachschub professionell erstellter Inhalte ermöglicht werden. Das ist übrigens keine schöngeistige und auch keine rein idealistische Betrachtung: Nachdem Deutschland so wie alle europäischen Staaten die UNESCO Konvention zur Kulturellen Vielfalt gezeichnet hat, haben wir rechtlich bindend anerkannt, dass Kultur einen „Doppelcharakter“ aufweist. Kulturelle Güter sind immer zugleich auch wirtschaftliche Güter. Wird die Funktionsfähigkeit in einem der beiden Bereiche beschädigt, wirkt sich das unmittelbar auf den anderen aus. D.h. ein Entzug materieller Ressourcen für die Kultur gefährdet den Fortbestand und die Funktion des kulturellen Systems an sich. Und damit die für die Gesellschaft unverzichtbaren identitätsstiftenden Prozesse kulturellen Schaffens.
Eines sollte klar sein: „Alles für lau“ ist eine Forderung von gestern.
Zeitgemäß und nachhaltig wäre: „Zugang zur Kultur gegen angemessene Vergütung“. Wobei die „Angemessenheit“ (§32 UrhG) nicht von Laien mit den Füßen ermittelt werden kann, sondern am Markt und auf Basis geltenden (auch tariflichen) Rechts rechtssicher festgestellt werden muss.
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[5] „Wollen sie wirklich Land für Land die Rechte für ihre Werke verhandeln, oder hätten sie lieber einen einzigen europäischen Markt?“
Eindeutige Antwort: Wir wollen die territoriale Trennung beibehalten.
Es gibt doch längst einen europäischen Markt; das gewährleisten nicht zuletzt die enorm effizienten europäischen Verwertungsgesellschaften mit ihrem dicht geknüpften Netz von Gegenseitigkeitsverträgen. Wir haben Freizügigkeit, so ist es uns freigestellt, genau die VG zu wählen, die uns passt. Warum sollte es also in unserem Interesse als Urheber sein, in einem ausschließlich nach den merkantilen Bedürfnissen von US-amerikanischen Großverwerten gestalteten System zu arbeiten – zudem diese in viel zu vielen Fällen nicht ordnungsgemäß lizenzieren und noch nicht einmal Steuern abführen?
Den Doppelcharakter kultureller Güter laut Unesco Konvention habe ich bereits angesprochen. Ebenso die absehbar fatalen Folgen für Inhalte und deren Produzenten, wenn die stattfindende Wertschöpfung weiter an den Werkschöpfern vorbeigeht und so Geld aus der Kulturwirtschaft herauszieht („Transfer of Value“). Kulturelle Güter sind nicht nur Gegenstand nationaler Identität, sie sind deren Ausdruck und ein wesentliches Instrument der Selbsterneuerung und Selbstvergewisserung. Reflexion, Innovation, Verhandlung von Werten – all das basiert auf einer funktionierenden Kultur und ihren Protagonisten.
Die national geltenden Rechte fassen nun die jeweils unterschiedlichen Werte, Haltungen, Praktiken in Regelwerke, die sich wiederum auch unterscheiden – so wie sich die Kulturen unterscheiden. Wer diese Unterschiede nivelliert und Kultur behandelt wie den Handel mit Schrauben oder KFZ-Scheinwerfern, der riskiert irreversible Schäden für die europäische Kultur.
Kurz: Es gibt aus inhaltlicher und damit kultureller Sicht nur Nachteile durch eine strikte Vereinheitlichung europäischer Standards. Im Übrigen ergibt sich in einem reinen Lizenzmarkt wie meinem – Musik & Medien – ein ganz wesentlicher Teil der Wertschöpfung daraus, Nutzungslizenzen territorial und zeitlich beschränkt verhandeln und vergeben zu können. Auch Schriftsteller, deren Romane für jedes Land hinsichtlich Übersetzung und Veröffentlichung sowie nicht zuletzt auch Verfilmungsrechten einzeln lizenziert werden, werden Ihren Vorstellungen kaum mit Begeisterung begegnen.
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[6] Sind sie wirklich gegen Remixes?
Ist das wirklich eine ernstgemeinte Frage? Wieso sollte ich, wieso sollten meine Kollegen „gegen Remixe“ sein? Wenn die Leute sowas machen wollen, dann soll sie es doch machen. Sie dürfen das ja auch, und zwar auf Basis des geltenden Rechts. Was sie nicht dürfen: Das Ergebnis veröffentlichen, ohne mich gefragt zu haben. Es verwerten ohne mich zu beteiligen. Was soll daran falsch sein? Das ist nicht nur eine Frage finanzieller Erträge, sondern zunächst mal eine des Respekts mir und meiner Arbeit gegenüber.
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[7] „Wo würden ihre Prioritäten bei einem Update des Urheberrechts liegen?“
Vor allem anderen: Unser Urheberrecht muss als Recht der Urheber fortgeschrieben werden. Es ist der Transmissionsriemen für Kultur, Kulturwirtschaft und Medien. Es ist kein Verbraucherrecht und kann auch dem Sinn nach keines sein.
Im Wesentlichen sind die Urheber und Rechteinhaber in Deutschland zufrieden mit dem Urheberrecht. Natürlich gibt es Konflikte im Binnenverhältnis der Branche, doch die gibt es überall, wo etwas zu verteilen ist, und die großen Bedrohungen liegen in den Eingriffen von außen (s.o.).
Konkret drückt es gelegentlich da, wo in der teils erheblichen Asymmetrie des Marktes bei den jeweils kleineren wirtschaftlichen Einheiten – und das sind Urheber und Interpreten per se – die Verhandlungsbasis nicht gegeben ist, die es ihnen ermöglichen würde, sich gegen die Übermacht ihrer Auftraggeber bzw. Lizenznehmer zu wehren, ohne damit den nächsten Job oder die ganze Karriere zu riskieren. Hier wäre es dringend angezeigt, ein Verbandsklagerecht einzuführen, das eine große Hilfe bei der Adressierung struktureller Schieflagen böte.
Absolut bizarr waren die Entscheidungen der Politik in der jüngeren Vergangenheit, gesetzlich verbriefte Ansprüche ohne adäquate Durchsetzungsmittel zu verankern. Das begann bereits mit der Implementierung von Privatkopieabgaben und von Beteiligungsansprüchen an Verwertungserlösen, deren Aushandlung man jedoch, anstatt den Staat damit zu betrauen, in die Asymmetrie der Branche verlagerte. Vergütungsansprüche in Gesetze zu schreiben ohne sie durchsetzbar zu machen, ist Scharlatanerie.
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[8] „Nutzer*innen wollen Zugang zu Informationen und nicht im Alltag kriminalisiert werden.“
MUSIK und andere KULTURELLE INHALTE sind keine INFORMATIONEN!
Was für ein ungeheuerlicher Blödsinn. Wenn überhaupt, dann ist Musik mit „Wissen“ zu vergleichen, also mit der Kontextualisierung von Informationen.
Das in Deutschland geltende Urheberrecht reguliert nicht zuletzt den Zugang zu und die Teilhabe an kulturellen Gütern, indem es Rechteinhaber unter sehr vielen Bedingungen _zwingt_ ihre Rechte zur Verfügung zu stellen. Es gibt Schranken, es gibt multiple Kontrahierungszwänge und es gibt, völlig jenseits jeder rechtlichen Bestimmung, eine ungeheuer weit reichende Bereitwilligkeit der Kulturschaffenden, Menschen teilhaben zu lassen. Diese Bereitschaft und der ihr unterliegende Idealismus dürfen jedoch nicht dazu führen, dass Kulturschaffende sich selbst und ihre wirtschaftliche Überlebensfähigkeit aufgeben. Daher ist es zwingend notwendig, dass das Recht die Bedingungen der Werknutzung definiert: für die Verbraucher, für die Nutzer im terminologischen Sinne und auch für die Rechteinhaber.
Eine, mit Verlaub, ausgelutschte Phrase wie „Kriminalisierung“ in einem Aufruf zur Beteiligung an (professionelle?) Urheber und Rechteinhaber zu verwenden, lässt nicht auf sonderlich viel Sensibilität für die Situation der Angesprochenen schließen. Wenn es zudem offenbar zum „Alltag“ der angeblich „Kriminalisierten“ gehört, Anlässe für ebendiese Kriminalisierung zu schaffen, dann sagt diese Einschätzung aus dem Mund einer Parlamentarierin einiges aus.
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Abschließend möchte ich Sie ernsthaft darum bitten, offenzulegen, welche Experten und Gewährsleute Sie für Ihre Sicht auf die Situation der Urheber heranziehen.
Es wäre interessant zu wissen, inwieweit Sie bereit sind, die für uns existenzielle Unterscheidung zwischen Profi (beruflich / erwerbsmäßig tätig) und Laie (möglicherweise begabt, aber nicht auf Erlöse aus der Verwertung seiner Werke angewiesen) anzuerkennen und zu berücksichtigen. Die Annahme, heute sei ja jeder irgendwie ein Urheber, ist für die Urheberrechtsdebatte nicht zielführend.
Dass Sie Vorbehalte gegen Verwertungsgesellschaften haben, ist Ihr gutes Recht als Privatperson. In Ihrer parlamentarischen Funktion jedoch müssen Sie vom Gesetzgeber gewollte, mit der Wahrnehmung gesetzlicher Aufgaben betraute Institutionen zunächst einmal anerkennen. Niemand verlangt, dass Sie unkritisch sind; das sind wir als Wahrnehmungsberechtigte auch nicht.
Wir müssen uns darauf verlassen können, dass Sie Ihr Amt als Mandatsträgerin nicht missbrauchen. Als Berichterstatterin sind Sie dem Parlament – und damit mittelbar uns als dem Souverän – gegenüber verantwortlich, nicht Ihrer Partei.
Sollten Sie uns vermitteln, dass wir uns darauf verlassen können, dann werden Sie in uns Urhebern und Interpreten, in unseren Verlagen, Labels und Verwertungsgesellschaften und in den Berufs- und Branchenverbänden bestens informierte und konstruktive Ansprechpartner finden. Sie werden eine Stimmen- und Meinungsvielfalt vorfinden, wie Sie Ihnen aus dem Parlament und aus Ihrer Partei vertraut ist. Und Sie werden feststellen, dass „zwischen den Stühlen sitzen“ (so beschreiben Sie es im dt. Aufruf) Teil unseres Jobprofils ist, weshalb wir tatsächlich froh sind über jeden, der uns helfen will. Ob und inwieweit Sie das wollen, das wäre nach aktuellem Stand noch zu beweisen.
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QUELLEN:
Deutsch: https://juliareda.eu/2015/02/kunst-und-kreativschaffende-sagt-mir-eure-meinung/
Englisch: https://juliareda.eu/2015/02/copyright-update-creators-what-is-your-opinion/
Komponist
Vorsitzender mediamusic e.V. | berufsverband medienmusik, KölnPS:
Diesen Text werde ich auf Ihrer FB-Seite und auf der von mediamusic e.V. veröffentlichen. Bei Bedarf auch an anderer Stelle.